Trauma

Gewalt, Missbrauch, Mobbing, Tod geliebter Menschen oder Tiere, Naturkatastrophen, Kriege, Verlust von Heim und Heimat, ja alle seelischen Verletzungen, die als existenzielle Bedrohung und Erschütterung in ihren Grundfesten erlebt werden, wie  die körperliche und seelische Unversehrtheit, können zu einem Trauma (einer akuten Belastungsreaktion oder einer PTBS posttraumatischen Belastungsstörung) führen.


Jedoch erlebt nicht jeder Mensch Situationen auf die gleiche Art und Weise. Je nach Konstitution, verfügbaren Ressourcen und Widerstandskraft, sind Erlebnisse für den Einen zu bewältigen, für den Anderen nicht. Sicherlich spielen hier Faktoren wie Alter, Lebenserfahrung, erlernte Bewältigungsstrategien, eigene Werte u. ä. eine zentrale Rolle, dennoch ist ebenfalls entscheidend, aus welchem Holz jemand geschnitzt ist. Selbsterklärend sind Babys und Kinder diesbezüglich noch nicht sehr gut ausgestattet und daher besonders anfällig. Sehr sensible und ängstliche Personen, die sich aufgrund ihrer Skrupel darüber hinaus scheuen, andere zu verletzen, sind sicherlich ebenso schlecht gerüstet, sich bei einem Übergriff angemessen zu schützen geschweige denn, sich zu verteidigen. 


Im Grunde kennt der Organismus zwei Auswege: Angriff oder Flucht. Sind beide während des Trauma-Ereignisses nicht möglich, ist der Betroffene also handlungsunfähig und erlebt sich als ohnmächtig wie in einer Starre, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich genau dieses Erleben in sein Unterbewusstsein einbrennt und entsprechend als Trauma bezeichnet werden kann. Diese Erinnerung samt Reizauslösern (sogenannten Triggern) und den dazugehörigen Reaktionsmustern (hier das Notfallprogramm 'Handlungsunfähigkeit') speichert sich in der Regel sowohl auf psychisch-emotionaler Ebene als auch auf körperlicher Ebene als sogenanntes Zellgedächtnis. Sind diese Erfahrungen später nicht mehr bewusst erinnerbar, so greift ein automatischer Schutzmechanismus, der das Überleben sichert, sonst würde die Person wohl daran zerbrechen.


Wie sich eine Person vor, während und nach dem traumatischen Ereignis erlebt, ist mit entscheidend für das Ausmaß der seelischen Verletzung. Wird die Person gut aufgefangen und erlebt unmittelbar nach dem Ereignis wieder Halt und Sicherheit, kann dies schwerwiegende Folgen abwenden oder abmildern. Führen hingegen Gefühle von Scham und Schuld zu Selbstvorwürfen, werden Selbstwirksamkeit und Selbstwert zusätzlich enorm geschädigt. Ein bewusstes Verarbeiten ist erst dann möglich, wenn hierfür die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen. Entgegen der klassischen Auffassung, Albträume und Flashbacks seien dramatisch, halte ich sie vielmehr für ein  deutliches Anklopfen der Seele, die darauf hinweisen will, dass eine Verarbeitung jetzt möglich und hilfreich ist. Seien Sie gewiss, dass sie Ihnen immer nur das zumutet, was Sie auch bewältigen können.


Zwei Sonderformen von Traumatisierungen bedürfen einer besonderen Vorgehensweise, da diese außerhalb der eigenen Identität entstanden sind:


Bei der transgenerationalen Traumatisierung handelt es sich um Traumata, die nicht auf eigenem Erleben beruhen, sondern möglicherweise bereits über Generationen weitervererbt wurden. Die Betroffenen leiden dann ohne eigenes Trauma-Erleben an den Trauma-Folgen. So können beispielsweise die Hungersnöte der Uroma während der Kriegszeit ursächlich für eine Essstörung sein. Auch hier führt die Traumatherapie zur Lösung, in die sinnvollerweise Aspekte der systemischen Therapie einfließen. 


Bei der transpersonalen Traumatisierung handelt es sich um unerlöste Traumata, die in einer Zeit vor unserer Zeit entstanden sind. Der Erinnerungsspeicher der Seele ist somit während einer früheren Inkarnation genährt worden. Lediglich die Trauma-Folgen sind noch im Hier und Jetzt spürbar. Neben der Traumatherapie leistet hier die Reinkarnationstherapie unterstützend heilsame Dienste.

Prä-, peri- und postnatale Traumata

Häufig verbergen sich hinter chronischen Erkrankungen und psychischen Leiden wie Angst- und Panikstörungen, Depressionen, Essstörungen oder Bindungsproblemen ungelöste Traumata, die unter der Geburt entstanden sind oder prä- bzw. postnatalen Ursprungs sind: Verwicklungen mit der Nabelschnur, vorzeitiges Ablösen der Plazenta, falsche Position oder zu lange Verweildauer im Becken während des Geburtsvorgangs, unnatürliche Eingriffe in die Geburt wie Kaiserschnitt, Saugglocken- oder Zangengeburt, Kristeller-Griff, Chemische Beeinflussung durch Wehen fördernde oder hemmende Mittel, PDA oder  Narkose, Stress, Ängste oder fehlende Geborgenheit der Mutter während der Geburt, Trennung von der Mutter nach der Geburt - um hier nur einige wenige Einflüsse aufzuführen. Folgenschwer zeichnen sich auch Belastungen der Mutter während der Schwangerschaft ab, die durch psychischen oder körperlichen Stress, angstbesetzte Situationen oder gesundheitliche Probleme und deren Behandlung hervorgerufen werden können. Bindungstrauma können auch dadurch entstehen, wenn die Mutter selbst traumatisiert ist oder vor der Schwangerschaft ein Verlusttrauma durch Fehl- oder Todgeburten erlitten hat. Die Entstehungsgeschichten sind vielfältig.

Alleingeborener Zwilling

Besonderes Augenmerk möchte ich auf ein vorgeburtliches Trauma legen, welches maßgebend auf die Entwicklung und auf das gesamte Sein Einfluss nimmt: der Verlust eines Zwillings (oder mehrerer Geschwister) während der Schwangerschaft, also der gemeinsamen Zeit im Bauch. Auch wenn dies zunächst unvorstellbar scheint, so lässt sich bei näherer Betrachtung durchaus nachvollziehen, welche Gefühle, Muster und Anlagen aus diesem Drama entstehen. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie sind mit ihrem allerliebsten Menschen in einem sehr engen Fahrstuhl eingeschlossen. Zunächst ist alles gut und Sie genießen die intensive Zweisamkeit. Doch dann wird ihr Geliebter schwach und schwächer und stirbt plötzlich neben Ihnen. Sie können nichts tun, es gibt keine Hilfe, kein Entkommen, Sie müssen miterleben, wie er langsam dahinsiecht und Sie müssen noch Monate neben seinem leblosen verfallenden Körper aushalten, bevor Sie alleine dort herausgeholt werden. Es gibt keinen Trost, niemanden, der Sie auffängt und auch niemanden, der Ihren Schrecken und das Unfassbare begreift, niemanden, der nachfühlen kann, was Sie durchgemacht haben, warum Sie lange danach noch immer traurig und verstört sind, weil niemand davon weiß. Ähnlich empfindet ein alleingeborener Zwilling.


Kommt ein Baby mit diesem Gepäck auf die Welt, (und häufig setzt sich das Drama bei den Umständen der Geburt noch fort) so lässt sich leichter nachvollziehen, warum es sich um ein Schreibaby handelt oder es überwiegend ruhig und betrübt wirkt. 


Bis ca. zum 5./6. Lebensjahr ist die Zeit im Mutterleib noch erinnerbar. Danach verblasst die Erinnerung und die sichtbaren Folgen des frühen Traumas sind für niemanden erklärbar, insbesondere für den Betroffenen selbst nicht, denn niemand weiß von einem Trauma. Fühlt er sich doch immer anders als die Anderen, nicht zugehörig und alleine. In ihm herrscht oft eine tiefe Traurigkeit bis hin zu einer Todessehnsucht, für die er keinen wirklichen Grund findet. Alleingeborene Zwillinge entwickeln häufig ein Helfer- oder Rettersyndrom, was sich auf die Berufswahl und auch auf die Partnerwahl auswirken kann, wobei der Partner meistens das gleiche Geschlecht wie das des verlorenen Zwillings hat, nach dem er unbewusst noch immer sucht. Sich ständig aufopfern, den anderen retten wollen, führt oft zu Enttäuschung, weil er sich selbst nicht wichtig, nicht gesehen oder gar für wertlos hält. Große Verlust- und/oder Bindungsängste belasten seine Partnerschaft zusätzlich. Wegen seiner Angst vor Veränderung und seinem großen Harmoniebedürfnis kann er seine destruktive Lebenssituation nicht einmal selbst beenden. Fehler sucht er stets bei sich selbst, mit Schuld, Selbstzweifeln und Versagen kennt er sich aus. Seine ausgeprägte Empathiefähigkeit ist Fluch und Segen zugleich. Gefühle anderer spürt er nicht nur intensiv, sie rauschen förmlich ungefiltert in ihn hinein, wodurch er diese bisweilen für seine eigenen hält. Dies betrifft auch andere Sinneseindrücke, die aufgrund seiner Hochsensibilität problematisch werden können. Der Denkapparat ist ständig mit Sortieren beschäftigt, macht nie Pause, denn seine Unfähigkeit, sich abzugrenzen, muss erst überwunden werden.  


Hier ist zunächst nur ein kleiner Teil dessen skizziert, welche Auswirkungen das vorgeburtliche Trauma auf das ganze Leben nehmen kann. Liegt der Zwillingsgeschichte eine Rivalität zugrunde, werden sich die Auswirkungen in anderer Weise zeigen. Mit Hilfe einer Traumatherapie lassen sich die Trauma-Folgen erlösen und der Alleingeborene kann endlich und endgültig in seinem ICH ankommen, statt etwas zu leben, was er nicht ist. Hier ist behutsames Vorgehen angezeigt, denn das ganze Sein wird auf den Kopf gestellt. 

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